Funktioniert Online-Beratung wirklich?
Ein Gespräch zwischen Antonia Anderland und Sabine Wolff
Wolff: Frau Anderland, wir sind ja beide im Mediations- und Beratungsgeschäft. Online-Beratung und Telefoncoaching ist, denke ich, stark im Kommen. Ich bin seit einigen Jahren intensiver damit befasst. Was halten Sie von dem Trend?
Anderland: Ich bin eigentlich ein Fan davon, weil es die Dienstleistung für den Kunden deutlich flexibilisiert: ohne Reisezeit und -kosten und ohne Bindung an die üblichen Bürozeiten können Berater und Klient sehr individuell Termine ausmachen. Wie ist Ihre Erfahrung damit?
Wolff: Meine Erfahrung ist sehr ähnlicher Art. Denn die schnellere Terminfindung ist ein deutliches Plus gerade für Führungskräfte. Ich nutze die Onlineberatung inzwischen immer mehr - beispielsweise für die Auftragsklärung. Nun gibt es ja aber auch viele Gegner der Online-Beratung. Welche Nachteile sehen Sie denn oder haben Sie sogar schon erlebt?
Online-Beratung schreckt noch manchen ab
Anderland: Zum einen gibt es Menschen, die einfach Widerstände gegen alle Nichtpräsenz-Formen haben und die man schwerlich für Online-Coaching gewinnen wird, weil sie sich mit den technischen Voraussetzungen nicht befassen möchten. Zum anderen fehlt sicher die Unmittelbarkeit, die Körperlichkeit einer Live-Begegnung. Was finden Sie mitunter unbefriedigend am Online-Format?
Wolff: Auch für mich birgt das Format ganz andere Herausforderungen. In der Präsenzsituation habe ich Möglichkeiten, auf nonverbaler Ebene zu reagieren. Gleichzeitig ist online eine noch höhere Sensibilität gefragt, um für Konfliktlösungen die Botschaften zwischen den Zeilen hörbar zu machen.
Anderland: Ich bin aber dafür, beides nicht ständig miteinander zu vergleichen: das Fern-Coaching hat seine eigene Daseinsberechtigung! Erleben Sie nicht auch, dass manche Klienten genau die Online-Situation suchen?
Fern-Coaching hat unleugbare Vorteile
Wolff: Ja, natürlich. Ich hatte sogar den Fall, dass eine Klientin in der Online-Situation stärker ihre Emotionen ausleben konnte als in Präsenz-Sitzungen vorher und dies deutlich zur Lösung beigetragen hat. Ich gebe Ihnen recht, dass beides gut nebeneinander sein kann. Aus Ihrer Erfahrung heraus, was denken Sie, wie sich die Nachfrage zukünftig entwickeln wird?
Anderland: Firmen werden sich zunehmend für Fernberatungs-Formen öffnen, weil die logistischen Vorteile – gerade bei international agierenden Unternehmen – so augenfällig sind. Im Einzelcoaching kann eine Flexibilisierung erreicht werden, die anders kaum möglich ist. Weniger stark sehe ich den Trend für Online-Mediation: nach meiner persönlichen Erfahrung bevorzugen Parteien immer noch die Präsenzform, auch wenn die Planung dadurch aufwändiger wird. Wie stehen Sie zur Mediation über das Internet?
Mediation profitiert von der Mischform
Wolff: Ich stehe der Online-Mediation als Ergänzung sehr offen gegenüber. Sich real in die Augen schauen, halte ich gerade zum Start für sehr hilfreich. Wenn die Kontrahenten dann aber in einen konstruktiveren Dialog gestartet sind, können Online-Termine die Bearbeitung der weiteren Themen unkompliziert möglich machen. Und auch bei der Auftragsklärung und bei Einzelgesprächen kann es ein probates Mittel sein.
Um virtuelle Treffen zu ermöglichen: was, glauben Sie, ist besonders für die Konfliktmoderation zu beachten?
Anderland: Alle Technikfragen müssen vorab gelöst sein. Ich mache gute Erfahrungen damit, Firmen vor Beginn einer Online-Mediation oder -Beratung über die technischen Voraussetzungen zu informieren und auch eine rein den logistischen Aspekten gewidmete Probesitzung zu machen.
Außerdem sollten beide Parteien offen gegenüber der elektronischen Form sein und am besten virtuelle Kommunikation aus ihrem Alltag zu kennen – sonst kann all das Neue zu sehr vom eigentlichen Thema ablenken.
Zum Schluss würde ich Sie gerne fragen, Frau Wolff: Wenn Sie die berühmte gute Fee auftreten lassen könnten: was würden Sie sich für den Berater- und Klientenalltag der kommenden 5 Jahre wünschen?
Die Zukunft ist online
Wolff: Ich gebe Ihnen recht, die Technik muss unbedingt funktionieren. Und genau da ist auch noch ein großes Manko… also, wenn die Fee mich fragen würde, wünschte ich mir ein System, welches für Firmen ohne großen Aufwand via Browser stabil und einfach zu bedienen ist. Dann wird die Hemmschwelle auf allen Seiten in fünf Jahren deutlich gesunken sein und weniger Präsenztermine notwendig sein. Sich aber von Angesicht zu Angesicht begegnen zu können, halte ich nach wie vor für sinnvoll.
Anderland: Auf jeden Fall, da bin ich ganz bei Ihnen. Vielen Dank für Ihre Meinung!
Wolff: Vielen Dank auch Ihnen, Frau Anderland, für den spannenden Austausch!
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Es sprachen miteinander:
Antonia Anderland, Anderland consulting & coaching, Allensbach
Sabine Wolff, Fairpoint – Wolff, Mediation, Moderation und Coaching, München